In der Rubrik Pflanze des Monats stellen wir in den Vegetationsmonaten von März bis Oktober interessante Pflanzen und Pflanzenarten aus unserem Garten vor. Jede Pflanze kann im Botanischen Garten Leipzig vor Ort aufgesucht und ihre Besonderheit entdeckt werden.
2020
Alpenveilchen (Cyclamen spp.)
In der Pflanzenwelt unserer Heimat gibt es eine Menge Frühjahrsboten. Die bekanntesten dürften das Schneeglöckchen, der Märzenbecher oder die Krokusse sein.
Nicht weniger spannend und mit besonders knackigen Farben gibt es jedoch noch einen weiteren: das Alpenveilchen. Die leuchtend magenta-farbigen Blüten ziehen jeden Besucher in seinen Bann. Kaum jemand geht im Februar und März an ihnen einfach so vorbei. Allerdings ist Alpenveilchen nicht gleich Alpenveilchen. Wir kultivieren 2 ähnliche Arten, die sich aber in zwei Dingen deutlich unterscheiden: Im Frühjahr blüht Cyclamen coum, und zwar zusammen mit Laub. Im Herbst hingegen blüht Cyclamen hederifolium – nachdem sein Laub am Ende des Hochsommers bereits verschwunden ist.
Die Blütezeit der Alpenveilchen liegt genau dann, wenn sonst wenig blüht. Auch Bestäuber sind dann eher selten – gerade auch an ihren natürlichen, felsigen Standorten in den Alpen. Umso mehr bemühen sich die Alpenveilchen um ihre Nachkommen: Nach erfolgreicher Bestäubung und Befruchtung wachsen die Blütenstiele mit der Frucht aktiv in den Boden ein, sie pflanzen sich quasi selbst und sind so hervorragend vor Wind und Wetter geschützt.
Buschwindröschen (Anemone nemorosa)
Von etwa Mitte März bis April blüht in ausgedehnten Beständen des Leipziger Auwaldes das Buschwindröschen (Anemone nemorosa). Weit weniger bekannt und sehr viel seltener ist das Wald- oder Große Windröschen (Anemone sylvestris). Es blüht etwas später, oft sogar bis in den Mai hinein, wird um einiges höher und wächst nicht in so dichten Beständen. Das Große Windröschen ist auch insgesamt stark behaart und seine Blüten werden doppelt so groß wie die des Buschwindröschens, sind aber genauso weiss. Auch in den Früchten gibt es deutliche Unterschiede. Beide Arten produzieren zwar kleine Nüsschen, während die des Buschwindröschens aber nur kleine hakige Griffelreste zum Festhalten im Fell von Tieren ausbilden, so produziert das Große zudem wollige Haare. So können die Früchte auch durch Wind verdriftet werden. Im Zustand der Fruchtreife sieht man auch deutlich die nahe Verwandtschaft zu den Kuhschellen (Pulsatilla). Von manchen Wissenschaftlern werden die Kuhschellen sogar mit den Anemonen in einer Gattung vereinigt.
Das Wald- oder Große Windröschen wächst bevorzugt auf kalkreichen Böden und meidet – anders als es der Name „Wald“ suggeriert – sogar eher die tiefschattigen Standorte des Waldes. Am ehesten ist es auf ungedüngtem, trockenen Magerrasen zu finden. Im Norden Deutschland und insbesondere im Tiefland fehlt es ganz und ist in ganz Europa mittlerweile gefährdet.
Im Botanischen Garten Leipzig finden sie einen kleineren Bestand im Mitteleuropäischen Revier gegenüber des Moores bzw. des Teiches zwischen Weg und Mauer. Hier finden sich auch weitere Arten, die mit dem Großen Windröschen oft zusammenwachsen, wie der Diptam, die Weinraute oder der Blutrote Storchschnabel.
Die Niedrige Akelei (Aquilegia saximontana)
Die Heimat der Niedrigen Akelei (Aquilegia saximontana) liegt in den Rocky Mountains Nordamerika über der Baumgrenze, oberhalb von ca. 3000m üNN. Sie gehört mit etwa 70 weiteren Arten in die Gattung Akelei, die in Nordamerika, Europa und Asien vorwiegend in den Gebirgen vorkommt. In unseren Wäldern ist ab und zu eine ebenfalls blaublütige Art, Aquilegia vulgaris, zu finden, die allerdings bis zu 1,5m hoch wird. Die Niedrige Akelei hingegen bleibt recht klein und bewohnt typischerweise Felsschutthänge. Dort schmiegt sie sich in den Windschatten der Felsen und wartet zur Blütezeit ab Juni (im Botanischen Garten Leipzig ab Mai) auf langrüsselige Bestäuber wie Hummeln, die sich an ihrem reichlich vorhandenen Nektar laben. Der sammelt sich in Aussackungen besonders groß ausgebildeter und ebenfalls blau gefärbter Honigblätter, die oft auch als Sporn bezeichnet werden. Die sind in der seitlichen Ansicht besonders gut zu sehen.

Die Niedrige Akelei ist sehr nah mit der Rocky-Mountain Akelei verwandt, mit der sie gemeinsam vorkommt. Beide lassen sich gut durch die Sporenlänge unterscheiden: bei der niedrigen Akelei sind diese ungefähr einen Zentimeter lang, während der der Rocky-Mountain Akelei ungefähr 3 bis viermal so lang werden kann.
Unser Exemplar hat sein Quartier ebenfalls in den Rocky Mountains, einem erst kürzlich hinzugekommenen neuen Beetbereich im Alpinum nahe des Mitteleuropäischen Teiches.
Steinbrechgewächse (Saxifragaceae) und Dickblattgewächse (Crassulaceae)
Nach neueren Erkenntnissen sind Steinbrechgewächse (Saxifragaceae) und Dickblattgewächse (Crassulaceae) näher miteinander verwandt als bisher geglaubt. Dem Rechnung tragend haben wir in der Systematischen Abteilung ein neues Beet für diese Familien nahe des Inspektorenhauses angelegt.
In beiden Familien sind viele Felsspaltenbewohner zu finden. Bei den Steinbrechgewächsen kommen die allermeisten Arten in Höhen über der Baumgrenze vor, also z.B. in den Alpen. Zu den Crassulaceen gehören viele dickfleischige Arten die mit hohen Temperaturen und wenig Wasser noch gut zurecht kommen. Dementsprechend sind besonders viele Arten in den Halbwüsten Südafrikas zu finden, aber die Hauswurzen (Sempervivum) und die Mauerpfeffer (Sedum) wachsen auch bei uns – z.B. in Mauerritzen oder auf besonders steinigem Untergrund.
Vertreter beiden Familien eignen sich vorzüglich für Steingärten, aber auch für die extensive Begrünung von Flachdächern. Die Vertreter beider Familien werden vorwiegend von Bienen bestäubt und bieten diesen auch reichlich Nektar.
Anders als es der Namen vielleicht suggeriert, brechen die Steinbreche nicht den Stein. Sie siedeln vielmehr in bereits vorhandenen Ritzen im Fels. Im Gegenteil: Ihr Wurzelsystem vermag lockeren Schotter zu stabilisieren.
Die abgebildeten Pflanzen sind aus der Familie der Dickblattgewächse, die Steinbreche wachsen sehr langsam - wir erwarten die ersten Blüten frühestens nächstes Jahr.
Die Nelken (Dianthus spp.)
Die Nelken (Gattung Dianthus) gehören in den Garten jedes Schmetterlingsfreundes. Die Blüten bilden eine sogenannte Stieltellerblume, bei der dem Tagschmetterling eine große Landeplattform angeboten wird. Der Nektar ist unter einem winzigen Zugang versteckt, aber gut für den dünnen Rüssel eines Schmetterlings erreichbar. Konkurrenten wie Fliegen oder Hummeln können den Netar nicht erreichen. Zudem ist die Farbe rot für Tagschmetterlinge besonders attraktiv.
Aber Vorsicht: Die „Standardnelke“, die oft auch als Schnittblume verkauft wird, ist für den heimischen Garten nicht geeignet: Die Staubgefäße sind zu weiteren Blütenblättern umgezüchtet, Nektar fehlt – Qualzüchtungen gibt es also nicht nur bei Hund und Katze!
Abgebildet ist die heimische Dianthus seguieri, die im System des Botanischen Gartrens zu finden ist.
Große Flohkraut (Pulicaria dysenterica)
Erst im Hochsommer offenbart sich die große Vielfalt der Asterngewächse bzw. Korbblütler in unserer Flora. Viele andere Wiesenpflanzen tragen schon längst Früchte oder sind oberirdisch kaum mehr erkennbar. In der systematischen Abteilung des Botanischen Gartens wird dies auch sehr deutlich. Das Große Flohkraut (Pulicaria dysenterica) mag es allerdings viel feuchter als es unser System bieten kann. Es wächst entlang des Mitteleuropäischen Teiches und in den benachbarten Waldabschnitten.
Grob werden die Asterngewächse in zwei Gruppen eingeteilt: diejenigen mit Milchssaft und entweder nur Röhren- oder nur Zungenblüten (Unterfamilie Lactucoideae) oder diejenigen mit sowohl Röhren- als auch Zungenblüten (Unterfamilie Asteroideae). Letztere haben nie Milchsaft, dafür aber eine Vielzahl an ätherischen Ölen. Am bekanntesten dürfte hier die Arnika sein. Auch das Flohkraut gehört in diese Gruppe – das manchmal sogar mit der Arnika verwechselt wird, aber viel kleinere Blütenköpfchen besitzt.
Die Inhaltsstoffe des Flohkrautes scheinen eine gewisse Wirkung gegen die Amöbenruhr zu haben, woher auch ihr weiterer Name „Ruhrkraut“ abzuleiten ist.
"Blauer Ingwer" (Dichorisandra thyrsiflora)
"Blauer Ingwer" (Dichorisandra thyrsiflora) nennt man im Deutschen eine Pflanze, die allerdings mit Ingwer nichts zu tun hat, denn sie gehört zur Familie der Tagblumengewächse (Commelinaceae). Sie ist damit eher verwandt mit den Dreimasterblumen, den Tradeskantien, die viele Gartenliebhaber in ihren Staudenbeeten kultivieren oder als Ampelpflanze in Wohnzimmer und Wintergarten pflegen.
Die Gattung Dichorisandra ist mit ihren etwa 38 Arten vom südlichen Nordamerika über das gesamte tropische Südamerika verbreitet.
Dichorisandra thyrsiflora, der »Blaue Ingwer«, der seine ursprüngliche Heimat in Brasilien hat, besticht durch seine langen, dem Ingwer ähnlichen Blätter, vor allem aber mit seinem attraktiven Blütenstand mit vielen blauvioletten Blüten, die über einen langen Zeitraum von unten nach oben aufblühen. Als Kübelpflanze ist sie für den Wintergarten geeignet. Sie liebt es hell ohne direkte Sonneneinstrahlung in einem feuchtwarmen Klima.
In unserem Gewächshaus »Regenwälder der Neuen Welt« haben wir zwei eng verwandte Arten des »Blauen Ingwers«, die jetzt im September, wenn auf der Südhalbkugel der Frühling beginnt, in Blüte stehen: Dichorisandra reginae und Dichorisandra mosaica.
Dichorisandra reginae, Ursprungsheimat ist Peru, hat einen etwas gedrungeneren, aber nicht minder attraktiven Blütenstand, wie auf den Fotos zu sehen ist. Auch sie ist für die Zimmerhaltung gut geeignet. Steht sie allerdings zu dunkel, dann verlieren die Blätter ihre schöne Färbung.
Auch Dichorisandra mosaica ist sowohl in Brasilien als auch in Peru zu Hause und steht bei uns normalerweise in den Sondersammlungen, ist aber jetzt zur Blütezeit im Schaugewächshaus der Neotropis zu bewundern.
Fackellilien (Kniphofia spp.)
Die spektakulären Blütenstände der Fackellilien (Kniphofia spp.) leuchten schon von weitem in ihrer Heimat, dem Fynbos Südafrikas. Sie locken damit Nektarvögel an, die sich prima an den robusten Stielen festhalten können, um dann mit ihren langen Schnäbeln den reichlich vorhandenen Nektar aus den Blüten zu schlürfen.
Fackellilien sind bei uns einigermaßen winterhart, mögen es aber am liebsten warm und sonnig. Und sie blühen jetzt – zu Beginn des Herbstes. Auch in Südafrika blühen sie gerade jetzt – von Oktober bis Dezember. Allerdings fängt in Südafrika gerade der Frühling an! Wie können die Pflanzen nur wissen, dass sie in ihrer Heimat jetzt blühen müßten – wo sie doch in Deutschland stehen? Einer der unzähligen Mysterien in der Biologie. Es mag aber einfach damit zusammenhängen, dass sie zum Beginn der Regenzeit blühen – und die setzt in Deutschland nach einer ausführlichen Trockenzeit gerade ein.
Im Botanischen Garten Leipzig können die Fackellilien in der Systematischen Abteilung der Einkeimblättrigen südlich des Inspektorenhauses bewundert werden.