In der Rubrik Pflanze des Monats stellen wir in den Vegetationsmonaten von März bis Oktober interessante Pflanzen und Pflanzenarten aus unserem Garten vor. Jede Pflanze kann im Botanischen Garten Leipzig vor Ort aufgesucht und ihre Besonderheit entdeckt werden.
2022
Kiwifrüchte - Strahlengriffelgewächse (Actinidiaceae)
Die Kiwifrucht stammt ursprünglich aus China. Ihr eigentlicher Name „míhóutáo“ bedeutet so viel wie „Makakkenbeere“. In den 1940er Jahren in Neusseeland eingeführt wurde sie dort schnell zu einem Exportschlager – der jedoch noch eines typischen Namens bedurfte. Nicht ohne Selbstironie vermarkteten die Neuseeländern, die von den Australien gerne als „Kiwis“ bezeichnet werden, die „míhóutáo“ unter dem Namen Kiwifrucht. So oder als Kiwibeere sollte diese Frucht auch in Deutschland bezeichnet werden, denn der Name Kiwi allein bezeichnet den flugunfähigen Wappenvogel Neuseelands.
Kiwipflanzen in Deutschland kultivieren
Die Kiwifrucht gehört zur Gattung Actinidia und ist mit mehreren Arten auch in Deutschland winterhart. Die bei uns angebotenen Kiwifrüchte werden allerdings fast alle importiert. Für den Hobbygärtner eignet sich jedoch durchaus Actinidia arguta oder Actinidia deliciosa. Diese kleinen Kiwipflanzen blühen im Mai und ihre etwa stachelbeergroßen Früchten werden im Oktober reif, fast schon wenn sich ihr Laub gelb zu färben beginnt.
Strahlengriffelgewächse
Actinidia ist die namensgebende Gattung der Actinidiaceae oder Strahlengriffelgewächse. Der Name rührt von den vielen Griffeln her, von denen jeweils einer ein Fruchtblatt versorgt. Im Querschnitt erscheinen die kleinen Samen dann strahlenförmig angeordnet.
Achtung: etliche Actinidia-Arten sind zweihäusig, d.h. es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Nur die weiblichen machen Früchte - aber auch nur wenn eine männliche Pflanzen in der Nähe für Pollen und somit Bestäubung sorgen kann!
Common button bush - übersetzt ins Deutsche "Knopfbusch" (Berzelia lanuginosa)
Die Pflanzenreiche der Welt werden in die Holarktis, Neotropis, Palaeotropis, Australis, Antarktis und Capensis untergliedert. Die Capensis ist dabei das kleinste und umfasst nur die Provinz „Western Cape“ in Südafrika. Die Capensis hat sich sehr lange völlig unabhängig von allen anderen Reichen entwickelt, ein Austausch von Samen und Früchten ist nämlich nahezu unmöglich: Die Region ist im Westen, Süden und Osten vom Atlantischen und Indischen Ozean umgeben und im Norden befindet sich mit der Namib und der Kalahari für viele Pflanzen eine nahezu unüberwindbare Wüstenzone. Auch die Drakensberge im Osten stellen eine natürliche Barriere dar.
Dementsprechend entwickelten sich in der Capensis einige endemische Familien, also solche, die ausschließlich hier vorkommen. Dazu gehören die Geissolomataceae, Penaeaceae, Stilbaceae, Grubbiaceae und Bruniaceae. Letztere sind mit Berzelia lanuginosa im Foto dargestellt. Die Bruniaceae bilden als einzige Vertreter die Ordnung Bruniales, die wiederum den Asterales (z.B. mit Asteraceae und Campanulaceae) relativ nahe stehen. Wie diese bilden die Bruniaceae komplexe Blütenköpfchen aus, allerdings ohne das den Asteraceae typischen Involucrum. Die Einzelblüten sind winzig und werden gerne von Käfern aufgesucht. Berzelia ist häufig mit verschiedenen Ericaceae zu finden. Beide haben in der Capensis zusammen mit Familien wie die Rhamnaceae oder Rutaceae sehr feine, kleine nadelige Blätter, weshalb die Capensis in Südafrika auch als „Fynbos“ (etwa Feinblatt) bezeichnet wird.
Im neuen Südafrikabeet des Botanischen Gartens ist ebenfalls eine Bruniaceae zu finden.
Alle Bilder stammen von Wolfgang Teschner
Die durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum)
Die durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum) hat ihren Namen aufgrund der sehr charakteristischen Blätter bekommen. Die Blätter sind gegenständig und ohne deutlichen Blattstiel. Die Gegenblätter sind quasi gegenüberliegend miteinander verwachsen. Die Verwachsung ist sehr dicht und bildet eine kleine Mulde, in der sich gut Regenwasser ansammeln kann. Solche dichten Blattgründe sind sonst vor allem von den dichten Bromelienrosetten bekannt. In ihnen können sich kleine Teiche bilden, die in Südamerika Lebensraum für viele kleine Tiere wie auch die Pfeilgiftfrösche bieten.
Die Silphie blüht zu einer Zeit, in der die meisten anderen Pflanzen schon verblüht sind und kann somit eine Lücke im Nektarangebot für viele Insekten schließen. Allerdings ist die Silphie nicht heimisch, sie kommt ursprünglich aus Nordamerika. Ihre enorme Wuchsleistung – sie erreicht innerhalb eines Jahres locker Höhen von über 3 m – macht sie zu einer interessanten Energiepflanze, z.B. für die Herstellung von Bioethanol. Da die Silphie anders als der oft hierfür genutzte Mais auch Nektar anbietet, ist sie aus ökologischer Sicht vorzuziehen.
Die Silphie gehört in die nähere Verwandtschaft der Sonnenblumen und hat ebenso gelbe Blüten. Im Botanischen Garten ist sie sowohl in der systematischen Abteilung als auch in der Nordamerika-Abteilung zu finden.
Rosaceae vs. Ranunculaceae
Manche Pflanzen sehen von weitem einander ganz ähnlich, gehören jedoch ganz unterschiedlichen Pflanzenfamilien an. Besonders deutlich wird dies, wenn wir uns Vertreter der Rosaceae und der Ranunculaceae genauer anschauen. So blühend sowohl die meisten Hahnenfüße (Ranunculus) und die Fingerkräuter (Potentilla) wie auch die mit ihr nah verwandten Erdbeeren (Fragaria) leuchtend gelb und haben auch in etwa die gleiche Größe sowie jeweils 5 Blütenblätter. Unterscheiden kann man die beiden Gattungen wie auch die Familien selbst an einem wichtigen Detail ihrer Blätter: Die Rosengewächse und so auch die Erdbeere haben immer Nebenblätter, die Hahnenfüße aber niemals.
Nebenblätter sind kleine, paarige und oftmals grüne Auswüchse an der Basis des Blattstieles. Mit anderen Worten: das Fehlen eines Merkmales ist dennoch ein Merkmal. Mithilfe von Fotos Pflanzen bestimmen ist sehr schwierig und führt oftmals in die Irre. Fotos von Pflanzen ohne die Blattbasis sind entsprechend kaum zu gebrauchen.
Berberitzen (Berberis)
Auf die Frage, welche Unterschiede es zwischen Pflanzen und Tieren gibt, bekommt man manchmal die Antwort, Pflanzen wären festgewachsen, Tiere nicht. Das stimmt zwar in den meisten Fällen, aber es gibt auch viele festgewachsene Tiere – etwa die Seeanemonen – und freibewegliche Pflanzen, z.B. die Entengrütze auf Teichen. Und wie sieht es mit der Bewegung aus? Auch das ist die einhellige Antwort, Tiere bewegen sich, Pflanzen nicht.
Schaut man jedoch genauer hin, dann bewegen sich alle Pflanzen – allerdings für die zeitliche Dimension, in der die Menschen leben, kaum wahrnehmbar. Oft können erst Zeitrafferaufnahmen die Bewegung der Pflanzen für uns sichtbar machen. Viele dieser Bewegungen gehen mit Wachstum einher. Doch es gibt auch spektakuläre Ausnahmen, etwa bei der Sinnpflanze (Mimosa pudica) oder der insektenfressenden Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula).

Dies sind allerdings nicht-heimische Exoten, und wie sieht es in unserer heimischen Flora aus? Tatsächlich gibt es bei der normalen Berberitze dazu ein bemerkenswertes Beispiel. Ihre leuchtend gelben Blüten locken viele Insekten an, die sich an ihrem Nektar laben wollen. Aber nicht einfach so: Die Blütenbesucher sollen eben auch bestäuben, also mitgebrachten Pollen auf die Narbe übertragen und dann auch wieder welchen für die nächste Blüte mitnehmen. Je länger sich die Bestäuber, etwa kleine Bienen und Fliegen, in der Blüte aufhalten, desto wahrscheinlicher kommt es zur Pollenübertragung.
Und das erzwingen die Blüten mit einem Trick: berührt ein Beinchen die Basis der Nektarblätter, so registrieren die das und klappen augenblicklich zusammen. Sie halten die Beinchen der verdutzten, manchmal sogar in Panik geratenen Bestäuber ein paar Sekunden fest, ehe diese sich (unversehrt) befreien können und weiterfliegen.
Mit einer Bleistiftspitze oder einer kleinen Nadel läßt sich ein Blütenbesuch simulieren. Allerdings dauert das Zuschnappen nur Sekundenbruchteile, und auch unser Fotograf Wolfgang Teschner hatte seine liebe Mühe, dieselbe Blüte vor und nach einer Berührung im Bild festzuhalten – es ist ihm aber super gelungen!
Die Blütezeit der Berberitzen beginnt bereits Mitte April, zieht sich aber auch noch lange in den Mai hinein. Im Botanischen Garten Leipzig sind sie im System und im asiatischen Bereich zu finden.
(P.S.: Die im Herbst reifenden Steinfrüchte der Gewöhnlichen Berberitze – Berberis vulgaris – enthalten viel Vitamin C und können zu exklusiver Marmelade verarbeitet werden.)
Der asiatische Lebkuchenbaum (Cercidophyllum japonicum)
Der asiatische Lebkuchenbaum (Cercidophyllum japonicum) wächst auch im Botanischen Garten im asiatischen Bereich der geographischen Abteilung. Er wird vom Wind bestäubt und so zeigt auch er standesgemäß das Phänomen der Zweihäusigkeit: es gibt männliche und weibliche Individuen. Das verhindert sehr effektiv die Selbstbestäubung: da die weibliche Pflanze nur weibliche Organe besitzt, können so auch keine Pollen von ihr selbst auf die eigenen Narben gelangen. Da der Wind weder schmecken noch sehen oder riechen kann, sind die Blüten windbestäubter Arten eher unscheinbar, denn es werden weder Kelch- noch Blütenblätter ausgebildet. Die würden bei der Bestäubung nur stören: Der im Wind verwehte Pollen würde von den Blütenblättern aufgefangen und könnte dann nicht mehr das Empfängnisorgan der Blüte, die Narbe erreichen. Die allermeisten windbestäubten Arten blühen daher sogar vor dem eigentlichen Laubaustrieb, etwa die Buchen, Eichen, Birken oder Haseln.

So fehlen auch dem Lebkuchenbaum die Blütenblätter. Dennoch sind die langen, weit in den Luftraum hineinragenden Narben leuchtend rot gefärbt. Ob diese Farbe vielleicht doch ein paar Insekten anlockt, oder die Farbe möglichen Fressfeinden nur welkes Laubwerk suggerieren soll ist bisher noch nicht geklärt.
Übrigens sind auch Ulmen windbestäubt, aber einhäusig. Sie vermeiden Selbstbestäubung, indem die männlichen und die weiblichen Blüten um einige Wochen versetzt blühen – sogar mit einer kleinen Blühpause dazwischen.
Achten sie also in diesen Tagen auf die unscheinbaren Blüte unserer Bäume, auch wenn sie ein nicht so spektakuläres Blütenmeer abgeben wie die unter ihnen blühenden Frühlingsblüher!
Ansichten von Pflanzen
Das Pflanzenleben wird gerade wieder sichtbar und lockt viele Fotografen in die Natur – und in den Botanischen Garten. Vielleicht ist das gerade der richtige Zeitpunkt, einmal darüber zu reflektieren, aus welcher Sicht man da eigentlich fotografiert. Denn wir würden uns sehr freuen, wenn der oder die eine oder andere uns ihre Fotos auch für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung stellt, zum Beispiel im neuen LifeGate-Projekt des Botanischen Gartens unter lifegate.idiv.de
Wir Menschen haben eine Vorderseite (Bauch) und eine Rückseite (Rücken). Blüten auch. Wissenschaftlich spricht man da von der Ventralseite (Bauch) und der Dorsalseite (Rücken), denn vorne und hinten wäre aus der Sicht des Betrachters unterschiedlich. An der Dorsalseite setzt der Blütenstiel an.
Unsere Frühlingsboten Märzenbecher und Schneeglöckchen machen dies eindrucksvoll deutlich: Die Vorder- bzw. Ventralseite der Blüte ist bei beiden nach unten geöffnet. Um diese Seite im Bild festzuhalten, muss man die Blüte entweder mit der Hand umdrehen oder man muss sich entsprechend tief bücken. Leider tut dies kaum jemand, so dass man im Internet hunderttausende Bilder von Schneeglöckchen und Märzenbecher in allen möglichen Ansichten von oben bis seitlich findet, aber eben nicht von vorne.
Die Blüten der Krokusse oder des Scharbockskrautes öffnen sich nach oben, so dass man von oben betrachtet direkt die Ventralseite anschaut. Hier fehlen auf Fotos oftmals die seitlichen (Lateral-) Ansichten, welche für die eindeutige Bestimmung einer Pflanze unbedingt erforderlich sind: Besitzt die Pflanze Kelchblätter? Wie sehen die aus? Wie viele sind es?
Ein weiteres Problem bei der Dokumentation von Pflanzenarten betrifft die Begriffe Blüte und Blütenstand. Schneeglöckchen, Märzenbecher und Krokusse besitzen einzelne Blüten. Später im Jahr finden sich immer mehr Arten, bei denen mehrere Blüten zu einem mehrblütigen Blütenstand zusammengefasst sind. Typische Beispiele wären hier bei den Selleriegewächse oder den Asterngewächse zu finden.
Zu letzterer Familie zählt auch der Huflattich (Tussilago farfara), der bereits jetzt zahlreich zu sehen ist. Von oben (also ventral) betrachtet, besitzt der Huflattich ca. 25 fertile Einzelblüten in der Mitte und um die 100 sterile Blüten am Außenrand seines Blütenstandes. Mit anderen Worten: das „Blütenbild“ des Huflattichs ist gar kein Bild EINER Blüte, sondern von mindestens 25 einzelnen. Um ein Foto einer einzelnen Blüte von der Seite aufzunehmen, müsste man das Köpfchen aufschneiden und zerlegen, denn seitlich betrachtet sind die einzelnen fertilen Blüten nicht nur von den sterilen verdeckt, sondern zusätzlich von grünlich-bräunlichen Hüllblättchen. Diese Hüllblättchen wiederum sind ebenfalls unabdingbar, um so bekannte Gattungen wie die Flockenblumen (Centaurea) oder Disteln (Cirsium und Carduus) genau bestimmen zu können.
Archiv der letzten Jahre
Sie haben eine Pflanze des Monats verpasst? Oder möchten sich noch einmal über besonders spannende Pflanzen der vergangenen Monate informieren? Hier finden sie noch einmal unsere Schätze im Archiv:
2021
Frühlingslichtblume (Colchium bulbocodium)
Im Vorfrühling blühen nicht nur Schneeglöckchen, Märzenbecher, Narzissen und Krokusse! Darunter mischt sich auch ein Pflanze, deren bekanntester Verwandter die Herbstzeitlose ist – die Frühlingslichtblume. Sie ist weit weniger bekannt, aber genauso giftig – wie übrigens die meisten Zwiebelblumen. Schließlich müssen sie ja die wertvollen Reservestoffe in ihren Zwiebeln verteidigen.
Die Frühlingslichtblume ähnelt einem großen Krokus. Der Krokus gehört jedoch in die Familie der Schwertliliengewächse, die stets nur 3 Staubblätter besitzen, während Colchicum aus der Familie der Zeitlosengewächse (Colchicaceae) 6 Staubblätter ausbildet. Heimisch ist die Frühlingslichtblume bei uns übrigens nicht. Die nicht sehr häufige Pflanze wächst in größeren Beständen nur noch in der Schweiz und einigen Gebieten der Karpaten. Die Zwiebeln sind bei uns aber in gut sortierten Gärtnereien zu kaufen und können besondere Akzente gerade auch in Steingärten setzen.
Schachbrettblume (Fritillaria michailovskyi)
Die Schachbrettblumen der Gattung Fritillaria der Familie der Liliengewächse gehört zu den komplexesten und größten Gattungen der Familie überhaupt. Sie sind relativ nahe mit den Tulpen (Tulipa) verwandt, unterscheiden sich von diesen aber durch meist hängende statt aufrechte Blüten. Die meisten Arten sind in den Gebirgen zwischen der Türkei und dem Iran beheimatet. Da sie damit auch einer kalten Winterjahreszeit ausgesetzt sind, können viele Fritillarien auch bei uns problemlos im Freien überwintern.
Neben der eigentlichen Schachbrettblume (Fritillaria meleagris, von lat. fritillo=Schachbrett), dem Namengeber der Gattung wegen der Musterung der Blütenblätter, sind in unseren Gärten auch häufig die imposanten Kaiserkronen in allen möglichen Farbvarianten zu finden.
Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera)
Orchideen waren und sind noch immer eine der ästhetisch besonders ansprechenden Pflanzen. Gerade im Winter zieren sie viele unserer Wohnzimmer-Fensterbänke. Doch bei diesen Orchideen handelt es sich fast ausschließlich um Exoten aus den tropischen Regenwäldern. Aber wussten Sie, dass auch etwa 80 Orchideenarten in Deutschland heimisch sind? Sie haben ganz spezielle Ansprüche an ihren Wuchsort, sind allesamt selten und vom Aussterben bedroht und streng geschützt. Die Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera) und die Insekten-Ragwurz (Ophrys insectifera), besser bekannt und dem Namen Fliegen-Ragwurz, gehören dazu und stehen schon in den Startlöchern zum Beginn ihrer Blüte – zumindest in den Toten Tälern bei Freyburg.
Auch der Botanische Garten Leipzig würde gerne mit ein paar Exemplaren aufwarten, denn sie sind Teil des Beziehungspfades und wären an Position 12 zu finden – doch bisher schlug ihre Kultivierung trotz aufopferungsvoller Geduld, Wissen und viel Liebe unserer Gärtner fehl. Trotzdem: Ragwurzen gehören – nach meiner eigenen Statistik von über 12 Millionen gesammelten Fotos von fast 2000 Fotografen – zu den am häufigsten abgelichteten Pflanzen überhaupt. Der Laie jedoch mag enttäuscht sein: die wundervollen und oft formatfüllenden Bilder täuschen über die Größe der einzelnen Blüten hinweg. Eine einzelne Blüte ist selten größer als einen halben Zentimeter im Durchmesser! Geduld, genaues Hinsehen und auch ein bisschen Glück gehören zum Auffinden der Blüten dazu.
Das Glück lässt sich manchmal ein wenig überrumpeln, wenn man eine vorbeifliegende Biene verfolgen kann, die zu einer Blüte unterwegs ist und einen quasi unfreiwillig hinführt. Übrigens sind es in der Regel Männchen, die die Bestäubung durchführen, da sie sich vom Aussehen und dem Duft der Ragwurzenblüten haben täuschen lassen: Denn die Blüten duften nach Weibchen, sehen ihnen recht ähnlich – und auch die Behaarung fühlt sich für sie an wie die vermeintlichen Weibchen.
Der Wildkohl (Brassica oleracea var. oleracea)
Der Wildkohl (Brassica oleracea var. oleracea) ist die Stammform sämtlicher Kohlsorten – also von Kohlrabi, Wirsing, Weißkohl, Broccoli, Rosenkohl, Rotkohl, Romanesco etc. Einige dieser Zuchtformen sind noch recht jung, andere waren den Römern bereits bekannt. Und hier liegt auch die Heimat des Wildkohls, denn er kommt entlang der Mittelmeerküsten vor. Der Kohl gehört zu den Kohlgewächsen (Brassicaceae), zu denen etwa auch der Meerrettich, das Radieschen, der Senf oder der Raps gehören. Sie alle zeichnen sich durch eine gewisse Schärfe aus, die von den Inhaltsstoffen der Senfölglycoside herrührt. Diese sind schwefelhaltig und zersetzen sich im Darm letztlich zu Schwefelwasserstoff (H2S), einem der geruchintensivsten Stoffe überhaupt. H2S ist extrem giftig, so dass diesem Stoff gegenüber eine angeborene Sensitivität besteht, die auch nach längerer Exposition nicht vergeht.
Die Kohlgewächse werden manchmal auch als Kreuzblütler bezeichnet. Dieser Name bezieht sich auf die senkrecht kreuzweise angeordneten Blütenblätter. Oftmals spiegelt sich die Anzahl der Blütenblätter in der Anzahl der Staubblätter wider. Nicht so bei den Kreuzblütlern: sie besitzen 6 davon. Schaut man noch genauer hin – dazu sollte man eine Lupe hinzuziehen – dann stellt man fest, dass die 6 Staubblätter in 2 Kreisen angeordnet sind. Einem inneren aus 4 und einem äußeren aus 2 Staubblättern. Schaut man noch genauer hin und entfernt dazu die Kelch- und Kronblättern, so entdeckt man an der Basis zwischen den beiden äußeren Staubblättern 2 winzig kleine Pünktchen. Dabei handelt es sich um Nektardrüsen zur Ernährung der Bestäuber. Evolutiv betrachtet sind diese beiden Drüsen aus den ursprünglich an diesen Stellen einmal vorhandenen Staubblättern hervorgegangen. Damit stimmt auch das Weltbild wieder: eigentlich besitzen die Kohlgewächse 8 Staubblätter – von denen 2 nicht mehr offensichtlich als solche erkennbar sind. Dank an dieser Stelle an unser Freundeskreismitglied Wolfgang Teschner, der mit viel Aufwand dieses oftmals übersehene Detail mit seiner Kamera liebevoll dokumentiert hat!
Distel (Carduus spp.)
Disteln sind so gut wie komplett aus unserer Umwelt verbannt worden. Durch ihr riesiges Potenzial, sich vegetativ über Wurzelrhizome zu vermehren, sind sie gerade in der Landwirtschaft alles andere als beliebt. Zurückdrängen durch Unterpflügen geht nicht – da werden sie nur noch zahlreicher. Da hilft nur die chemische Keule. Auch auf den noch verbliebenen Viehweiden sind sie nicht gerne gesehen, denn eine weiche Rinderschnauze frisst nicht freiwillig unsere reichlich bestachelten Disteln. Und selbst die Garteninhaber tun alles, um Disteln loszuwerden.
Streng genommen handelt es sich bei Disteln nur um Verteter der Gattung Carduus. Umgangssprachlich werden aber auch andere Verwandschaftskreise als Disteln bezeichnet. So beispielsweise die Verteter der Kratzdisteln (Gattung Cirsium). Daneben gibt es bei uns noch weitere Verwandtschaftsgruppen wie die zum Beispiel die Silber- und Golddisteln (Carlina spp.), die Kugeldisteln (Echinops spp.) oder die Eselsdistel (Onopordum acanthium).
Aber Disteln sind eine der wenigen Nahrungsquellen für unsere Tagfalter. Gerade die nach ihrer Wanderung aus Südeuropa zu uns kommenden Wanderfalter wie der Distelfalter dürstet es nach Nektar. Da wären die Disteln genau das Richtige: von den Farben sehr attraktiv (rot, violett, magenta) locken sie schon von weitem die Falter an. Der winzige Zugang zu ihrem Nektar ist für die Falter gut erreichbar – und wenige andere Insekten sind da Konkurrenz.
Lassen Sie ein paar heimische Disteln in ihren Gärten stehen! Mit Wurzelschranken lässt sich das unkontrollierbare Ausbreiten in Grenzen halten. Überzeugen Sie auch ihre Nachbarn. Gemeinsam kann man am besten gegen Vorurteile vorgehen. Die erschöpften Tagfalter werden es Ihnen danken!
Mais (Zea mays)
So wie wir ihn kennen, ist der Mais (Zea mays) eine äußerst ungewöhnliche Pflanze, denn er kommt in der Natur gar nicht vor. Stattdessen handelt es sich um eine Kulturpflanze par excellence, denn nur der Mensch garantiert sein Überleben. Im Zweig der Biologie, in der es um die verschiedensten Ausbreitungsstrategien der Pflanzen geht, spricht man auch von Anthropochorie, der Ausbreitung durch den Menschen. Aber warum kommt der Mais nicht in der Natur vor? Haben Sie sich kurz vor der Erntezeit einmal einen Maiskolben näher angeschaut? Die dicke Spindel, auf der fest eingebettet die einzelnen Maiskörner sitzen, ist von großen Hüllblättern oder Lieschblättern umgeben. Würde der Mais nicht vom Menschen geerntet, so würde der Kolben mit seinen Samen auf dem Ackerboden einfach verfaulen – die Lieschblätter verhindern ein selbständiges Loslösen der Samen ebenso wie der feste Sitz auf dem Kolben. Der Mensch hat diese Eigenschaften durch seine jahrtausendealten Züchtungsbemühungen erreicht, denn so lassen sich die einzelnen Kolben mit den anhaftenden Körnern sehr einfach ernten und bis zur Weiterverarbeitung lagern.
Bereits vor über 9000 Jahren haben die Einwohner des nördlichen Mittelamerikas begonnen, aus der Naturform des Mais (Teosinte oder Zea mexicana) die heutige Kulturform zu züchten. Mittlerweile existieren unzählige Züchtungsformen und Sorten, wobei die an der Spitze der Pflanzen befindlichen männlichen Blüten der „Urform“ noch recht ähnlich sehen. Große Unterschiede gibt es v.a. bei den weiblichen Blüten und den sich daraus entwickelnden Früchten, die von gelb bis fast schwarz sehr viele Farbvarianten aufweisen, manchmal sogar innerhalb eines einzelnen Kolbens.
In Lateinamerika ist Mais eines der Hauptnahrungsmittel und entspricht in Form von Tortillas unserem Brot. Die Sorten des Mais auf unseren Äckern eignen sich aufgrund des ungünstigen Klimas hingegen kaum für den menschlichen Verzehr. Er wird entweder als komplette Pflanze mit Milchsäurebakterien versetzt und silagiert dann dem Nutzvieh verfüttert, oder als Biomasse zu Bioethanol vergoren und landet dann im Tank der Automobile. Die zu „Cornflakes“ umgewandelten Maiskörner enthalten keinerlei Ballaststoffe, Vitamine, Mineralien oder irgendetwas anderes Wichtiges für die Ernährung außer Kohlenhydrate (Zucker). Hingegen sind sie extrem billig herzustellen und führen bei übermäßigem oder gar ausschließlichem Genuß zu Mangelerscheinungen. Dazu hat man in großem Stil die nordamerikanischen Ureinwohner gezwungen, um ihre Dezimierung weiter voranzutreiben.
Mais ist übrigens eine Pflanze mit C4 Photosyntheseweg, der bei ausreichender Energieversorgung (Sonnenschein) und genug Wasser besonders effektiv ist. Während der Sonnenschein in unseren Breiten im Sommer oft ausreicht, hapert es mit der Wasserversorgung, so dass in Dürrejahren wie 2020 der Maisanbau ohne künstliche Bewässerung eigentlich keinen Sinn macht.
Die Pflanzen finden Sie in der systematischen Abteilung bei den Gräsern.
Die Tollkirsche (Atropa bella-donna)
Die Tollkirsche, ist einer der Klassiker unter den Giftpflanzen. Das nach ihr benannte Alkaloide Atropin wirkt pupillenerweiternd. Es wird zwar heute noch in der Augenheilkunde genutzt, allerdings aufgrund seiner lang andauernden Giftigkeit nicht in der Diagnostik. In der Renaissance träufelten sich Frauen den Saft der Tollkirsche in die Augen, denn die größeren Pupillen sollten die Augen insgesamt größer erscheinen lassen und die Frauen somit attraktiver.
Von solchen Praktiken ist allerdings dringendst abzuraten. Die Giftigkeit der Pflanzen und ihrer Beeren schwankt stark und es kann leicht zu starken Vergiftungserscheinungen kommen.
Eine der giftigsten Pflanze Deutschlands
In der Tat zählt die Tollkirsche zu den giftigsten Pflanzen Deutschlands überhaupt, denn Vergiftungen sind gar nicht so selten. Normalerweise schmecken giftige Pflanzen ekelig, denn sie wollen ja nicht gefressen werden. Etwas an einer Pflanze geknabbert und schon spuckt man das Kaugut wieder aus. Nicht so bei der Tollkirsche: ihre Früchte schmecken angenehm süßlich, also schluckt man das gekaute und fr(isst) weiter. Doch dann kommt meist jede Hilfe zu spät. Gerade Kinder sind besonders gefährdet und sollten dementsprechend früh aufgeklärt werden. Vögeln macht das Gift nichts aus und sind die legitimen Ausbreiter.
Die Blüten
Die Tollkirsche produziert glockenförmige Blüten in der Farbe braun – nur ganze wenige Pflanzen in Deutschland tun dies. Bestäubt wird sie von Bienen und Hummeln. Im Botanischen Garten steht sie in der Systematischen Abteilung mit den ihr verwandten Solanaceae im Zentrum des Systems nahe der Kornelkirsche. Die Tollkirsche wächst besonders gerne auf kalkhaltigen Böden und ist dieses Jahr das erste mal richtig prächtig gewachsen.
Der Amerikanische Baumwürger (Celastrus scandens)
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Der Amerikanische Baumwürger (Celastrus scandens) windet sich mit seinen Sprossen im Uhrzeigersinn um geeignete Stämme, Zweige und Äste. Seinen martialischen Namen – er wird manchmal auch als Baummörder bezeichnet – rührt daher, dass das Umschlungene an den berührten Stellen manchmal etwas langsamer wächst als an den nicht umschlungenen Stellen. Diese Stellen sehen dann wie eingeschnürt aus.

Tatsächlich wächst der „Baumwürger“ aber stetig mit seinem Substrat mit und beschädigt es nicht. Es wäre auch völlig unlogisch, wenn der Baumwürger sein Substrat beschädigen oder sogar zum Absterben bringen würde: Er würde damit seine eigene Lebensgrundlage zerstören!
Celastrus scandens ist bei uns voll winterhart und eignet sich sehr gut zur Begrünung von Fassaden, Gerüsten, Pergolen o.ä. Seine Blüten sind eher klein und wenig attraktiv, seine volle Pracht entfaltet die Liane erst im Herbst durch seine leuchtend gelbe Färbung. Und auch die Vögel kommen nicht zu kurz: In charakteristischem gelb-rot Kontrast platzen die fleischigen Kapseln im Herbst auf und werden gerne von Vögeln gefressen.
2020
Alpenveilchen (Cyclamen spp.)
In der Pflanzenwelt unserer Heimat gibt es eine Menge Frühjahrsboten. Die bekanntesten dürften das Schneeglöckchen, der Märzenbecher oder die Krokusse sein.
Nicht weniger spannend und mit besonders knackigen Farben gibt es jedoch noch einen weiteren: das Alpenveilchen. Die leuchtend magenta-farbigen Blüten ziehen jeden Besucher in seinen Bann. Kaum jemand geht im Februar und März an ihnen einfach so vorbei. Allerdings ist Alpenveilchen nicht gleich Alpenveilchen. Wir kultivieren 2 ähnliche Arten, die sich aber in zwei Dingen deutlich unterscheiden: Im Frühjahr blüht Cyclamen coum, und zwar zusammen mit Laub. Im Herbst hingegen blüht Cyclamen hederifolium – nachdem sein Laub am Ende des Hochsommers bereits verschwunden ist.
Die Blütezeit der Alpenveilchen liegt genau dann, wenn sonst wenig blüht. Auch Bestäuber sind dann eher selten – gerade auch an ihren natürlichen, felsigen Standorten in den Alpen. Umso mehr bemühen sich die Alpenveilchen um ihre Nachkommen: Nach erfolgreicher Bestäubung und Befruchtung wachsen die Blütenstiele mit der Frucht aktiv in den Boden ein, sie pflanzen sich quasi selbst und sind so hervorragend vor Wind und Wetter geschützt.
Buschwindröschen (Anemone nemorosa)
Von etwa Mitte März bis April blüht in ausgedehnten Beständen des Leipziger Auwaldes das Buschwindröschen (Anemone nemorosa). Weit weniger bekannt und sehr viel seltener ist das Wald- oder Große Windröschen (Anemone sylvestris). Es blüht etwas später, oft sogar bis in den Mai hinein, wird um einiges höher und wächst nicht in so dichten Beständen. Das Große Windröschen ist auch insgesamt stark behaart und seine Blüten werden doppelt so groß wie die des Buschwindröschens, sind aber genauso weiss. Auch in den Früchten gibt es deutliche Unterschiede. Beide Arten produzieren zwar kleine Nüsschen, während die des Buschwindröschens aber nur kleine hakige Griffelreste zum Festhalten im Fell von Tieren ausbilden, so produziert das Große zudem wollige Haare. So können die Früchte auch durch Wind verdriftet werden. Im Zustand der Fruchtreife sieht man auch deutlich die nahe Verwandtschaft zu den Kuhschellen (Pulsatilla). Von manchen Wissenschaftlern werden die Kuhschellen sogar mit den Anemonen in einer Gattung vereinigt.
Das Wald- oder Große Windröschen wächst bevorzugt auf kalkreichen Böden und meidet – anders als es der Name „Wald“ suggeriert – sogar eher die tiefschattigen Standorte des Waldes. Am ehesten ist es auf ungedüngtem, trockenen Magerrasen zu finden. Im Norden Deutschland und insbesondere im Tiefland fehlt es ganz und ist in ganz Europa mittlerweile gefährdet.
Im Botanischen Garten Leipzig finden sie einen kleineren Bestand im Mitteleuropäischen Revier gegenüber des Moores bzw. des Teiches zwischen Weg und Mauer. Hier finden sich auch weitere Arten, die mit dem Großen Windröschen oft zusammenwachsen, wie der Diptam, die Weinraute oder der Blutrote Storchschnabel.
Die Niedrige Akelei (Aquilegia saximontana)
Die Heimat der Niedrigen Akelei (Aquilegia saximontana) liegt in den Rocky Mountains Nordamerika über der Baumgrenze, oberhalb von ca. 3000m üNN. Sie gehört mit etwa 70 weiteren Arten in die Gattung Akelei, die in Nordamerika, Europa und Asien vorwiegend in den Gebirgen vorkommt. In unseren Wäldern ist ab und zu eine ebenfalls blaublütige Art, Aquilegia vulgaris, zu finden, die allerdings bis zu 1,5m hoch wird. Die Niedrige Akelei hingegen bleibt recht klein und bewohnt typischerweise Felsschutthänge. Dort schmiegt sie sich in den Windschatten der Felsen und wartet zur Blütezeit ab Juni (im Botanischen Garten Leipzig ab Mai) auf langrüsselige Bestäuber wie Hummeln, die sich an ihrem reichlich vorhandenen Nektar laben. Der sammelt sich in Aussackungen besonders groß ausgebildeter und ebenfalls blau gefärbter Honigblätter, die oft auch als Sporn bezeichnet werden. Die sind in der seitlichen Ansicht besonders gut zu sehen.

Die Niedrige Akelei ist sehr nah mit der Rocky-Mountain Akelei verwandt, mit der sie gemeinsam vorkommt. Beide lassen sich gut durch die Sporenlänge unterscheiden: bei der niedrigen Akelei sind diese ungefähr einen Zentimeter lang, während der der Rocky-Mountain Akelei ungefähr 3 bis viermal so lang werden kann.
Unser Exemplar hat sein Quartier ebenfalls in den Rocky Mountains, einem erst kürzlich hinzugekommenen neuen Beetbereich im Alpinum nahe des Mitteleuropäischen Teiches.
Steinbrechgewächse (Saxifragaceae) und Dickblattgewächse (Crassulaceae)
Nach neueren Erkenntnissen sind Steinbrechgewächse (Saxifragaceae) und Dickblattgewächse (Crassulaceae) näher miteinander verwandt als bisher geglaubt. Dem Rechnung tragend haben wir in der Systematischen Abteilung ein neues Beet für diese Familien nahe des Inspektorenhauses angelegt.
In beiden Familien sind viele Felsspaltenbewohner zu finden. Bei den Steinbrechgewächsen kommen die allermeisten Arten in Höhen über der Baumgrenze vor, also z.B. in den Alpen. Zu den Crassulaceen gehören viele dickfleischige Arten die mit hohen Temperaturen und wenig Wasser noch gut zurecht kommen. Dementsprechend sind besonders viele Arten in den Halbwüsten Südafrikas zu finden, aber die Hauswurzen (Sempervivum) und die Mauerpfeffer (Sedum) wachsen auch bei uns – z.B. in Mauerritzen oder auf besonders steinigem Untergrund.
Vertreter beiden Familien eignen sich vorzüglich für Steingärten, aber auch für die extensive Begrünung von Flachdächern. Die Vertreter beider Familien werden vorwiegend von Bienen bestäubt und bieten diesen auch reichlich Nektar.
Anders als es der Namen vielleicht suggeriert, brechen die Steinbreche nicht den Stein. Sie siedeln vielmehr in bereits vorhandenen Ritzen im Fels. Im Gegenteil: Ihr Wurzelsystem vermag lockeren Schotter zu stabilisieren.
Die abgebildeten Pflanzen sind aus der Familie der Dickblattgewächse, die Steinbreche wachsen sehr langsam - wir erwarten die ersten Blüten frühestens nächstes Jahr.
Die Nelken (Dianthus spp.)
Die Nelken (Gattung Dianthus) gehören in den Garten jedes Schmetterlingsfreundes. Die Blüten bilden eine sogenannte Stieltellerblume, bei der dem Tagschmetterling eine große Landeplattform angeboten wird. Der Nektar ist unter einem winzigen Zugang versteckt, aber gut für den dünnen Rüssel eines Schmetterlings erreichbar. Konkurrenten wie Fliegen oder Hummeln können den Netar nicht erreichen. Zudem ist die Farbe rot für Tagschmetterlinge besonders attraktiv.
Aber Vorsicht: Die „Standardnelke“, die oft auch als Schnittblume verkauft wird, ist für den heimischen Garten nicht geeignet: Die Staubgefäße sind zu weiteren Blütenblättern umgezüchtet, Nektar fehlt – Qualzüchtungen gibt es also nicht nur bei Hund und Katze!
Abgebildet ist die heimische Dianthus seguieri, die im System des Botanischen Gartrens zu finden ist.
Große Flohkraut (Pulicaria dysenterica)
Erst im Hochsommer offenbart sich die große Vielfalt der Asterngewächse bzw. Korbblütler in unserer Flora. Viele andere Wiesenpflanzen tragen schon längst Früchte oder sind oberirdisch kaum mehr erkennbar. In der systematischen Abteilung des Botanischen Gartens wird dies auch sehr deutlich. Das Große Flohkraut (Pulicaria dysenterica) mag es allerdings viel feuchter als es unser System bieten kann. Es wächst entlang des Mitteleuropäischen Teiches und in den benachbarten Waldabschnitten.
Grob werden die Asterngewächse in zwei Gruppen eingeteilt: diejenigen mit Milchssaft und entweder nur Röhren- oder nur Zungenblüten (Unterfamilie Lactucoideae) oder diejenigen mit sowohl Röhren- als auch Zungenblüten (Unterfamilie Asteroideae). Letztere haben nie Milchsaft, dafür aber eine Vielzahl an ätherischen Ölen. Am bekanntesten dürfte hier die Arnika sein. Auch das Flohkraut gehört in diese Gruppe – das manchmal sogar mit der Arnika verwechselt wird, aber viel kleinere Blütenköpfchen besitzt.
Die Inhaltsstoffe des Flohkrautes scheinen eine gewisse Wirkung gegen die Amöbenruhr zu haben, woher auch ihr weiterer Name „Ruhrkraut“ abzuleiten ist.
"Blauer Ingwer" (Dichorisandra thyrsiflora)
"Blauer Ingwer" (Dichorisandra thyrsiflora) nennt man im Deutschen eine Pflanze, die allerdings mit Ingwer nichts zu tun hat, denn sie gehört zur Familie der Tagblumengewächse (Commelinaceae). Sie ist damit eher verwandt mit den Dreimasterblumen, den Tradeskantien, die viele Gartenliebhaber in ihren Staudenbeeten kultivieren oder als Ampelpflanze in Wohnzimmer und Wintergarten pflegen.
Die Gattung Dichorisandra ist mit ihren etwa 38 Arten vom südlichen Nordamerika über das gesamte tropische Südamerika verbreitet.
Dichorisandra thyrsiflora, der »Blaue Ingwer«, der seine ursprüngliche Heimat in Brasilien hat, besticht durch seine langen, dem Ingwer ähnlichen Blätter, vor allem aber mit seinem attraktiven Blütenstand mit vielen blauvioletten Blüten, die über einen langen Zeitraum von unten nach oben aufblühen. Als Kübelpflanze ist sie für den Wintergarten geeignet. Sie liebt es hell ohne direkte Sonneneinstrahlung in einem feuchtwarmen Klima.
In unserem Gewächshaus »Regenwälder der Neuen Welt« haben wir zwei eng verwandte Arten des »Blauen Ingwers«, die jetzt im September, wenn auf der Südhalbkugel der Frühling beginnt, in Blüte stehen: Dichorisandra reginae und Dichorisandra mosaica.
Dichorisandra reginae, Ursprungsheimat ist Peru, hat einen etwas gedrungeneren, aber nicht minder attraktiven Blütenstand, wie auf den Fotos zu sehen ist. Auch sie ist für die Zimmerhaltung gut geeignet. Steht sie allerdings zu dunkel, dann verlieren die Blätter ihre schöne Färbung.
Auch Dichorisandra mosaica ist sowohl in Brasilien als auch in Peru zu Hause und steht bei uns normalerweise in den Sondersammlungen, ist aber jetzt zur Blütezeit im Schaugewächshaus der Neotropis zu bewundern.
Fackellilien (Kniphofia spp.)
Die spektakulären Blütenstände der Fackellilien (Kniphofia spp.) leuchten schon von weitem in ihrer Heimat, dem Fynbos Südafrikas. Sie locken damit Nektarvögel an, die sich prima an den robusten Stielen festhalten können, um dann mit ihren langen Schnäbeln den reichlich vorhandenen Nektar aus den Blüten zu schlürfen.
Fackellilien sind bei uns einigermaßen winterhart, mögen es aber am liebsten warm und sonnig. Und sie blühen jetzt – zu Beginn des Herbstes. Auch in Südafrika blühen sie gerade jetzt – von Oktober bis Dezember. Allerdings fängt in Südafrika gerade der Frühling an! Wie können die Pflanzen nur wissen, dass sie in ihrer Heimat jetzt blühen müßten – wo sie doch in Deutschland stehen? Einer der unzähligen Mysterien in der Biologie. Es mag aber einfach damit zusammenhängen, dass sie zum Beginn der Regenzeit blühen – und die setzt in Deutschland nach einer ausführlichen Trockenzeit gerade ein.
Im Botanischen Garten Leipzig können die Fackellilien in der Systematischen Abteilung der Einkeimblättrigen südlich des Inspektorenhauses bewundert werden.
2019
In den ursprünglichen bedecktsamigen Samenpflanzen finden sich ungewöhnlich viele aromatisch duftende und schmeckende Vertreter, wie zum Beispiel die Muskatnuß, der Lorbeer oder Ylang-Ylang – Hauptbestandteil der Parfüms Chanel No. 5. Etwas weniger bekannt sein dürfte Wu Wei Zi aus China sein, ein bei uns winterharter, kleiner Kletterer, der mittlerweile auch einen deutschen Namen bekommen hat – zum Beispiel bezugnehmend auf seinen Duft „Chinesischer Limonenbaum“. Limonenliane wäre allerdings passender, denn die Pflanze benötigt Rankhilfen zum Klettern, ähnlich der ebenfalls auch China stammenden Kiwifrucht.
In China werden die Früchte wie auch andere Teile der Pflanze schon seit Jahrhunderten in der Pharmazie genutzt. Ihr werden alle möglichen Heilwirkungen nachgesagt, von Schlaflosigkeit bis zu Hepatitis, Diabetes und vorzeitigem Samenerguß. Während die physiologische Wirkung noch längst nicht aufgeklärt ist, können aus den Beeren der Pflanze – Reife im Spätsommer – für unseren Gaumen ungewöhnliche schmeckende Marmeladen hergestellt werden. Das Bouquet einer solchen umfaßt nahezu alles, von salzig und süß bis scharf und bitter, und ist kaum mit anderen Marmeladen vergleichbar.
Wer den „Limonenbaum“ in seinem Garten ranken lassen möchte, um auch die Früchte zu ernten, sollte daran denken, sowohl männliche als auch weibliche Exemplare zu pflanzen, sonst gibt es keine Früchte. Die abgebildeten Blüten sind männlich, gut daran zu erkennen, dass es nur Staubbeutel, aber keinen Fruchtknoten in der Blüte gibt. Im Botanischen Garten Leipzig sind die Pflanzen unweit der Linnéstatue im System gepflanzt.
Die Immergrüne Schleifenblume (Iberis sempervirens) verholzt an der Basis leicht und behält ihre Blätter den Winter über (=immergrün). Diese und ihre Blühfreude im Frühling machen sie zu einer beliebten und recht dekorativen Gartenpflanze. Sie kommt in den südlichen, mediterranen Ländern vor, ist aber dennoch frostunempfindlich. Einige Exemplare sind in unserem Garten sowohl in der Systematischen Abteilung als auch im Alpinum zu finden. Durch ihre ausdauernde Wuchsweise werden die einzelnen Triebe im Laufe der Jahre immer länger. Da diese zumeist herabliegen eignen sich die Pflanzen gut zum Begrünen von Mauern.
Die Schleifenblume gehört in die Familie der Kohlgewächse (Brassicaceae), die in der Regel ziemlich kleine Blüten haben. Die Schleifenblume hat jedoch recht große Blüten, so dass ein typisches Merkmal der Familie an ihr besonders gut zu erkennen ist: Sie hat zwar 4 Kelch- und 4 Blütenblätter, aber 6 Staubblätter! Normalerweise haben Blüten genauso viele Blüten wie Staubblätter, ein vielfaches davon oder sehr viel mehr. Tatsächlich haben die Kohlgewächse eigentlich 8 Staubblätter, was dann wieder in dieses Schema passte, jedoch sind 2 des äußeren Kreises im Laufe der Evolution zu Nektardrüsen umgewandelt. Deshalb sind nur 6 sichtbar. Schaut man tiefer in die Blüte hinein, so wird man die 2 Nektardrüsen gerade so mit bloßem Auge erkennen.
Die Früchte der Brassicaceae sind trockene Öffnungsfrüchte bestehend aus 2 Fruchtblättern und einer falschen Scheidewand. Ist eine solche Frucht weniger als dreimal so lang wie breit, dann spricht man von einem Schötchen, wie bei der Schleifenblume. Ist sie mehr als dreimal so lang wie breit, so handelt es sich um eine Schote. Übrigens: die Paprikafrucht ist eine Beere (denn sie ist eine fleischige Schließfrucht und gehört zudem zum Obst, nicht zum Gemüse), die Vanillefrucht ist eine Kapsel (denn sie hat 3 Fruchtblätter).
Rehmannias Verwandtschaft ist recht klein. Die Gattung besteht aus nur 6 Arten und kommt in der Natur ausschließlich in China vor. Obwohl die Gattung außerordentlich farbenprächtige und große Blüten bildet ist selbst ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Pflanzenfamilie nicht ganz gesichert. Mit der Auflösung der Braunwurzgewächse oder Rachenblütler (Scrophulariaceae) in mehrere weitere Familien blieb Rehmannia noch bis zum Schluß übrig und wurde mal zu den Usambaraveilchengewächsen (Gesneriaceae) gestellt, mal zu den Sommerwurzgewächsen (Orobanchaceae). In letzteres wäre Rehmannia allerdings dann ein nicht-parasitischer Vertreter in einer ansonsten rein (hemi-) parasitischen Familie. Da sie aber auch nicht das familientypische Merkmal der postgenital verwachsenen Antheren der Gesneriaceae zeigt, und zudem gefiederte Blätter hat, ist es unserer Meinung nach gerechtfertigt, Rehmannia in eine eigene Familie, die Rehmanniaceae, zu stellen.
Die großen kräftig pink oder violett gefärbten Blüten sind hummelbestäubt und reflektieren bzw. absorbieren sicher im Ultravioletten. Die an sich mehrjährigen Stauden sind bei uns nicht winterhart und werden jedes Jahr aufs Neue aus Samen gezogen. Im Botanischen Garten stehen sie im System innerhalb der Ordnung der Plantaginales, grob ca. 30m nordöstlich des Blauglockenbaumes.
Die Große Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus) ist eine von vielen Vertretern der Kapuzinerkressengewächsen, die ursprünglich hauptsächlich in den Anden Mittel- und Südamerikas verbreitet war. Ihre großen, auffälligen Blüten haben aber v.a. die große Kapuzinerkresse schon sehr bald nach Entdeckung Amerikas zu einer weltweit beliebten Zierpflanze gemacht. Sie wird von Hummeln und Bienen bestäubt, auch in unserer Heimat, obwohl unsere Hummeln die Pflanze ja eigentlich gar nicht kennen können. Der große Nektarsporn ist jedenfalls immer reichlich gefüllt. Dieser zusammen mit der ganzen Blüte stand auch Pate für den Namen der Pflanze, denn sie erinnern an die Kapuzen von Mönchskutten.
Die Kapuzinerkresse ist aber nicht nur schön anzuschauen, sondern kann auch gegessen werden. Die Blätter und Blüten enthalten eine Menge Senfölglycoside, die ihr ein scharfes, senfähnliches Aroma verleihen. Allerdings sind in den Blättern auch einige Bitterstoffe enthalten, weswegen man in Salaten vorwiegend die Blüten verwendet. Dieses Aroma zeichnet aller Vertreter der Kohlartigen aus, zu denen neben Kohl auch die Kapern oder die Papaya gehören. Im Botanischen Garten steht sie dementsprechend auch im System der Karpernartigen, nicht unweit des Einganges zu den Gewächshäusern.
Die Pflanze ist nicht winterhart und wird bei uns jedes Jahr aufs neue ausgesät, in Ecuador oder Peru kann die Pflanze auch mehrjährig gehalten werden. Kapuzinerkresse kann gut klettern und eignet sich besonders zur sommerlichen Verschönerung von Balkonen und ihrer Geländer.
Die Kapuzinerkresse zeigt übrigens auch den von der Lotosblume bekannten Lotoseffekt: Die Blätter sind mit Wasser praktisch nicht benetzbar, es zieht sich sofort zu Kugeln zusammen und perlt ab!
Innerhalb der an sich recht einheitlich blühenden Korbblütler (Asteraceae) bilden die Kugeldisteln (Echinops) eine Ausnahme: statt einen verbreiterten Blütenstandsboden auszubilden, auf dem eng an eng viele kleine Blüten wie in einem Körbchen sitzen, produzieren die Kugeldisteln nur eine einzige Blüte pro Körbchen. Diese einfachen Körbchen sind aber wiederum rings um eine kleine Kugel angeordnet, so dass der Blütenstand an sich ebenfalls kugelig wirkt – und Ähnlichkeiten mit Igeln (Erinaceus) erkennen läßt.
Es gibt etliche Arten an Kugeldisteln, die meisten kommen im mediterranen Klima und Zentralsien vor. Bei uns besonders häufig sind die ruthenische Kugeldistel aus Südosteuropa (Echinops ritro) und die niedrige Kugeldistel (Echinops humilis) aus Zentralasien. Beide wurden schon vor langer Zeit ihres Zierwertes wegen in Mitteleuropa eingeführt. Die großen stahlblauen Blumenköpfe ziehen Hummeln und Bienen magisch an, gerade auch am Ende des Hochsommers, wenn die Hochzeit der Blüten bereits überschritten ist.
Als ausdauernde und nur ganz langsam sich ausbreitende Staude sind sie ein ungewöhnlicher Schmuck in jedem Garten, im BGL zu finden im Systematischen Beet der Korbblütler, aber auch in der Asiatischen Steppenanlage. Ihre weißfilzige Blattunterseite macht sie auch im nicht-blühenden Zustand zu einem Hingucker.
Nahezu alle Vertreter der Unterfamilie der Schwalbenwurzgewächse (Asclepioideae) innerhalb der Familie Hundsgiftgewächse (Apocynaceae) besitzen Milchsaft. Eine kleine Verletzung der Pflanzen reicht aus und schon schießt der Milchsaft aus der Wunde. Es dickt mit der Zeit ein und verschließt die Wunde auf die gleiche Weise wie bei uns Säugetieren rotes Blut. Auf Kleidung ist dieser Milchsaft kaum wieder herauszuwaschen, also Vorsicht bei der Gartenarbeit.
Viele Vertreter der Familie haben ausgesprochen hübsche Blüten, werden gerne kultiviert und bieten den Insekten reichlich Nektar. Am bekanntesten dürfte der aus dem Mittelmeer stammende Oleander sein. Oxypetalum caeruleum (ehemals Tweedia caerulea) aus dem Süden Amerikas besitzt ungewöhnlich blau gefärbte Blüten mit einem Stich ins türkis. Sie erinnert damit auch an das bei uns heimische Kleine Immergrün (Vinca minor) aus derselben Familie. Das hat zwar tiefblaue Blüten, aber ebenso Milchsaft und ist wie eigentlich alle Hundsgiftgewächse giftig.
Oxypetalum caeruleum steht im Botanischen Garten Leipzig im System zwischen der Rhododendronsammlung und den Tabakgewächsen.