In vielen, jedoch nicht allen Primatenarten teilen adulte Individuuen manchmal ihre Nahrung mit Jungtieren, meistens ihrem Nachwuchs, indem sie es tolerieren, wenn sich diese etwas Futter nehmen.

Dieses sogenannte passive Futterteilen ist die häufigste form tolerierter Futtertransfers bei nichtmenschlichen Primaten. Anders als beim Menschen ist das Teilen zwischen erwachsenen Individuen weniger üblich und ist nur von einigen Primatenarten bekannt, insbesondere den großen Menschenaffen. In bestimmten Situationen, nämlich wenn Individuen kompakte Futterstücke monopolisieren, z.B. erjagte Beute oder große Früchte, kommt es vor, dass diese nicht nur das Wegnehmen von Futter tolerieren, sondern dass sie den Transfer oder sogar selbst durchführen, indem sie Futter herüberreichen. Dieses aktive Futterteilen wurde bei großen Menschenaffen sowohl in ihrem natürlichen Habitat als auch in Zoos und Sanctuaries beobachtet. Es erfolgt gewöhnlich auf spezifisches Aufforderungs-/Bettelverhalten hin, das z.B. Gesten, bestimmte Aktionen, Körperhaltungen, Gesichtsausdrücke oder Vokalisationen oder Kombinationen daraus umfasst. 

Futterteilen dient bei Menschaffen mehr als nur einem Zweck. Neben dem Nahrungsaspekt spielt das Futterteilen mit Jungtieren eine Rolle beim sozialen Lernen, z.B. welches Futter essbar ist, wo und wann es zu finden ist und wie es bearbeitet oder extrahiert werden muss (z.B. Nüsse, hartschalige Früchte, Insekten, Honig). Adulte Schimpansen, Bonobos und Orang-Utans teilen Futter selektiv mit bestimmten Partnern. Futterteilen hat hier sehr wahrscheinlich auch die Funktion, soziale Beziehungen aufzubauen und zu erhalten. 

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Projektfoto Foodsharing Orangutans, Bild: Ruben Gralki, Zoo Berlin
Projektfoto Foodsharing Orangutans, Bild: Ruben Gralki, Zoo Berlin

Aufbauend auf unserer bisherigen Forschung mit Orang-Utans und Schimpansen (z.B. Kopp & Liebal, 2016; Kopp, Ebel et al. in Vorb., Liebal & Rossano, 2017; Rossano & Liebal, 2014) untersuchen wir Futterteilen und Interaktionen im Zusammenhang mit Futter im Allgemeinen bei nichtmenschlichen Primaten, insbesondere bei Menschenaffen. Uns interessieren vor allem die ontogenetische Entwicklung von auf Futter bezogener Kommunikation, also Aufforderung/Betteln und Reaktion, und das Vorkommen, Verhaltensmuster und proximaten Funktionen von aktivem Futterteilen sowie deren Variation in den jeweiligen Arten und im Artvergleich.

Um das "Wer mit wem, wie, wann und warum?" des Futterteilens umfassend zu vestehen, führen wir sowohl Beobachtungen alltäglicher Futterinteraktionen als auch Futterteiltests mit zahlreichen Primatengruppen in verschiedenen zoologischen Gärten und afrikanischen Auffangstationen durch. Wir kooperieren außerdem mit Wissenschaftler:innen, die Populationen von Menschenaffen in ihren natürlichen Verbreitungsgebieten erforschen.

Publikationen

  • The give and take of food sharing in Sumatran orang-utans, Pongo abelii, and chimpanzees, Pan troglodytes
    Liebal K, Rossano F
    Animal Behaviour. 2017 Nov;133:91–100.
    DOI: 10.1016/j.anbehav.2017.09.006
  • Here you are!—Selective and active food sharing within and between groups in captive Sumatran orangutans (Pongo abelii)
    Kopp KS, Liebal K
    Behavioral Ecology and Sociobiology. 2016 May;70(8):1219–1233.
    DOI: 10.1007/s00265-016-2130-2
  • 'Requests' and 'offers' in orangutans and human infants
    Rossano F, Liebal K
    In: Drew P, Couper-Kuhlen E: Requesting in Social Interaction
    John Benjamins Publishing Company. 2014;335–364.

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