Flexibilisierung der Arbeit bezieht sich vor allem darauf, wo (z. B. am Arbeitsplatz, von zu Hause oder mobil) und wann (z. B. Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit) gearbeitet wird. Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) ermöglichen Flexibilisierung, machen sie z. T. aber auch notwendig. Folgen können positiver und negativer Natur sein. So ist zum Beispiel eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben denkbar, aber auch die Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben.

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Foto: Colourbox

Die Flexibilisierung der Arbeit und deren Wirkung auf Erwerbstätige stellen Schwerpunktthemen des Zentrums digitale Arbeit dar. In diesem Projekt beschäftigen wir uns mit diesen Themen, in dem wir zunächst den Stand der Flexibilisierung von Betrieben in Deutschland anhand von Daten aus unserer eigenen Panelanalyse präsentieren. Im Anschluss wird der aktuelle Stand der Wissenschaft zur Effektivität von Telearbeit dargestellt. Schlussendlich werden Handlungsempfehlungen zur Gestaltung von Telearbeit gegeben.

Die zentralen Fragen des Spotlights:

  • In welchem Umfang werden Formen der örtlichen und zeitlichen Flexibilisierung in Deutschland genutzt?
  • Wie effektiv ist Telearbeit?
  • Wie können Betriebe Telearbeit am besten gestalten?

Stand der Flexibilisierung deutscher Betriebe 2020

Wie in den Abbildungen 1 bis 3 zu sehen ist, sind die Themen zeitliche und räumliche Flexibilisierung auch in unserer Stichprobe präsent. So sind beispielsweise rund zwei Drittel der Befragten in einem flexiblen Arbeitszeitmodell beschäftigt. Die Mehrzahl der Beschäftigten arbeitet in einem Modell mit fester Kernarbeitszeit und Gleitzeitregelungen (gelber Anteil). 16 % der Beschäftigten haben Vertrauensarbeitszeit (orangener Anteil).

Einen Teil der Arbeitszeit per Telearbeit (in unserer Panelanalyse als Home Office bezeichnet) zu leisten, ist eines der zentralen Mittel, um Flexibilität zu fördern. Jedoch geben nur ca. 40% der Erwerbstätigen unserer Stichprobe an, das Arbeiten im Homeoffice zu nutzen.

In Abbildung 2 können Sie sehen, seit wann diese Erwerbstätigen das Homeoffice nutzen. Rund ein Fünftel der Erwerbstätigen begann zwei oder vier Monate vor unserer ersten Befragung im Juli 2020 das Home Office zu nutzen, also zwischen März und Mai 2020. Dies lässt vermuten, dass das Arbeiten im Home Office zu Beginn der Covid-19 Pandemie an Bedeutung gewonnen hat. An der letzten Befragung Anfang März 2021 nahmen noch etwa die Hälfte der Erwerbstätigen der ersten Befragung teil. Seit wann diese Erwerbstätigen das Home Office nutzen, können Sie Abbildung 3 entnehmen.

Der Anteil der Erwerbstätigen, die das Home Office nutzen, ist generell leicht höher als im Juli 2020. Deutlich höher ist der Anteil derer, die das Home Office seit mehr als 8 Monaten nutzen. Der Anteil der Erwerbstätigen, die Anfang März 2021 neuerlich das Home Office nutzen, ist tendenziell kleiner als im Juli 2020.

Die Entwicklung der Home Office-Nutzung über die Zeit können Sie auch in Abbildung 4 einsehen.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abbildung 1: Verteilung der Arbeitszeitmodelle im Juni 2020 in %
Abbildung 1: Verteilung der Arbeitszeitmodelle im Juni 2020 in %
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abbildung 2: Dauer der Homeoffice-Nutzung Anfang Juli 2020 in %
Abbildung 2: Dauer der Homeoffice-Nutzung Anfang Juli 2020 in %
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abbildung 3: Dauer der Homeoffice-Nutzung Anfang März 2021 in %
Abbildung 3: Dauer der Homeoffice-Nutzung Anfang März 2021 in %
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abbildung 4 / Grafik 1: Verteilung und Verläufe der Dauer der Homeofficenutzung zwischen Juni 2020 und Februar 2021
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abbildung 4 / Grafik 2: Verteilung und Verläufe der Dauer der Homeofficenutzung zwischen Juni 2020 und Februar 2021
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abbildung 4 / Grafik 3: Verteilung und Verläufe der Dauer der Homeofficenutzung zwischen Juni 2020 und Februar 2021
zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abbildung 4 / Grafik 4: Verteilung und Verläufe der Dauer der Homeofficenutzung zwischen Juni 2020 und Februar 2021

Hinweise: Die Abbildung enthält einzelne Grafiken (zum Vergrößern bitte auf diese klicken), welche dasselbe Diagramm abbilden. Einziger Unterschied ist die Hervorhebung verschiedener Verlaufsgruppen. Zu sehen sind für jeden Messzeitpunkt die Verteilung der Dauer der Home Office‑Nutzung. Die Zahlen 1 bis 6 sowie die Zahl 9 entsprechen folgenden Angaben: Ich arbeite im Homeoffice 1 - seit weniger als 2 Monaten; 2 - seit 2 Monaten; 3 - seit 4 Monaten; 4 - seit 6 Monaten; 5- seit 8 Monaten; 6 - seit mehr als 8 Monaten. 9 - Ich arbeite nicht im Homeoffice.

Bitte beachten Sie, dass in diesen Grafiken nur jene Erwerbstätige enthalten sind, welche an allen acht Befragungen teilnahmen. Zudem sind Verläufe, die nur eine einzelne Person hatte, zur besseren Verständlichkeit nicht dargestellt.

In der ersten Grafik von Abbildung 4 sehen Sie, dass 47,7 % der Erwerbstätigen von Juni 2020 bis Februar 2021 nicht im Homeoffice arbeiteten. Knapp 2 % der Erwerbstätigen wechselten erst im Februar 2021 ins Home Office. Einige Erwerbstätige wechselten häufiger zwischen Home Office‑Nutzung und keiner Nutzung von Juni 2020 bis Februar 2021.

In der zweiten Grafik sehen Sie, dass 10,1 % der Erwerbstätigen bereits vor der Covid-19 Pandemie im Home Office arbeiteten und dies auch bis Februar 2021 beibehielten.

In der dritten und vierten Grafik sehen Sie, dass 2,4 % der Erwerbstätigen im Frühjahr 2020 anfingen, das Home Office zu nutzen und dies kontinuierlich bis Februar 2021 beibehielten. Des Weiteren ist erkennbar, dass einige Erwerbstätige nach der neuerlichen Home Office‑Nutzung im Frühjahr 2020 das Home Office ab Juli 2020 nicht mehr kontinuierlich nutzen (Wechsel von 2/3 zu 9).

Insgesamt lassen unsere Ergebnisse vermuten, dass die Covid-19 Pandemie vor allem zu Beginn des Jahres 2020 zur leichten Steigerung der Nutzung des Home Office geführt hat. Außerdem wurde die Nutzung weitgehend beibehalten und nur wenige nutzten das Home Office nach der neuerlichen Einführung nicht mehr. Jedoch zeigte sich auch, dass der überwiegende Teil der Erwerbstätigen unserer Stichprobe kein Home Office nutzte und nutzt.

Weiterhin ist die Häufigkeit der Home Office-Nutzung sehr unterschiedlich.

Abbildung 5 zeigt, dass in ca. der Hälfte der Fälle, das Home Office durchschnittlich an vier, fünf oder mehr als fünf Tagen pro Woche genutzt wird.

zur Vergrößerungsansicht des Bildes: Abbildung 5: Häufigkeit der Homeoffice-Nutzung im Juni 2020 in %
Abbildung 5: Häufigkeit der Homeoffice-Nutzung im Juni 2020 in %

Wie effektiv ist Telearbeit?

Eine Zusammenfassung der Europäischen Assoziation für Arbeits- und Organisationspsychologie (EAWOP, 2015)

Telearbeit kann die Arbeitszufriedenheit und Produktivität der Mitarbeitenden steigern, aber nur unter Berücksichtigung bestimmter individueller und organisatorischer Faktoren (Allen, Golden & Shockley, 2015). Im Folgenden sind einige typische Fragen aufgeführt, die sich Arbeitgeber stellen könnten, wenn sie die Einführung oder Verfeinerung einer Telearbeitsrichtlinie in Erwägung ziehen sowie Antworten auf diese Fragen, basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Berichts von Allen, Golden und Shockley (2015).

Studien zeigen, dass Telearbeitende im Allgemeinen ein besseres Verhältnis zu ihren Vorgesetzten haben und im Vergleich zu Mitarbeitenden, die ausschließlich vor Ort arbeiten, eine höhere Leistung und geringere Fehlzeiten aufweisen. Telearbeitende mit einem moderaten Anteil an Telearbeit (ca. 15 Stunden/Woche) sind auch zufriedener mit ihrem Job als diejenigen, die wesentlich weniger als 15 Stunden oder wesentlich mehr als 15 Stunden außerhalb des Betriebes arbeiten. Andere Studien zeigen, dass Mitarbeitende, die viel Telearbeit leisten, ein größeres Engagement für das Unternehmen zeigen und geringere Kündigungsabsichten haben. Aber Telearbeit ist nicht für jeden ideal. So haben Menschen, die zur Prokrastination neigen, zum Beispiel ein höheres Risiko Cyber-Slacking (das Durchforsten des Internets nach Spielen und anderer nicht arbeitsbezogener Unterhaltung) zu betreiben. Außerdem schätzen sie ihre eigene Arbeitsleistung als geringer ein, wenn sie aus der Ferne arbeiten.

Wie Studien zeigen, sind die leistungsstärksten Arbeitsteams jene, in denen sich die Mitglieder von Angesicht zu Angesicht treffen, aber dicht gefolgt von virtuellen Teams, die sich zunächst für eine gewisse Zeit persönlich getroffen haben. Teams, in denen die Mitglieder ausschließlich geografisch getrennt voneinander arbeiten, zeigen die geringste Leistung.

Während die meisten Telearbeitenden eine bessere Beziehungsqualität zu ihren Vorgesetzten haben, zeigen sie schlechtere Beziehungen zu ihren Kolleg*innen. Telearbeitende sind zwar generell produktiver, aber sie haben auch ein höheres Risiko Überstunden anzuhäufen, weil ihnen die übliche Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatem fehlt.

Telearbeitende mit einem großen Maß an Autonomie haben tendenziell die größte Arbeitszufriedenheit und die geringsten Konflikte zwischen Arbeit und Familie. Außerdem sind diejenigen Telearbeitenden, deren Arbeit weniger Input und Unterstützung von Kolleg*innen erfordert, produktiver und zufriedener mit ihrer Arbeit als diejenigen Telearbeitenden, deren Arbeit ein hohes Maß an Interdependenz erfordert.  Weitere wichtige Faktoren sind eine ausreichende technische und personelle Unterstützung durch den Betrieb, das Vertrauen der Vorgesetzten und eine möglichst störungsfreie Umgebung mit nur minimaler Ablenkung (z. B. durch Familienmitglieder) während der Arbeitszeit.

Untersuchungen zeigen, dass Betriebe, die ihren Mitarbeitenden Telearbeitsplätze anbieten, bei Profitabilität und anderen Leistungskennzahlen gut abschneiden. Daten von spanischen Betrieben haben zum Beispiel gezeigt, dass Betriebe mit dem größten Anteil an Telearbeitenden die größte Innovation und die höchste finanzielle und relationale Leistung (Produkt- und Prozessinnovation sowie Arbeits-, Kunden- und Lieferantenbeziehungen) aufweisen.

Wie können Organisationen Telearbeit am besten gestalten?

10 Empfehlungen der Gesellschaft für Industrie- und Organisationspsychologie (Shockley, 2014)

  1. Angestrebt werden sollten gemischte Arbeitsvereinbarungen mit Arbeitszeit vor Ort und Möglichkeiten zu Telearbeit an ca. 2 Tagen pro Woche. (Hintergrund)
  2. Es gibt nicht die eine Lösung! Jede Person ist einzigartig, somit sollten Vereinbarungen Spielräume für individuelle Anpassungen lassen.
  3. Damit Telearbeitende produktiv sein können, benötigen sie ein hohes Maß an Selbstwirksamkeitserwartung oder Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Telearbeitende sollten also bestärkt und ermutigt werden, vor allem in der Anfangsphase der Telearbeit.
  4. Telearbeitende sollten in betriebliche Veranstaltungen, soziale Aktivitäten und Schulungs- und Entwicklungsmöglichkeiten einbezogen werden, die auch anderen Mitarbeitenden zur Verfügung stehen. Auch eine "virtuelle Teeküche" für informelle Gespräche kann helfen. Vorgesetzte sollten Telearbeitende häufiger kontaktieren, damit diese einbezogen werden und das Gefühl haben „auf dem Laufenden" zu sein. (Hintergrund)
  5. Die Unternehmenskultur muss Telearbeit unterstützen. Dies kann zum Teil erreicht werden, durch: a) Änderung von Normen bzgl. Arbeitszeit, b) Gehalts- und Beförderungssysteme und c) Einbezug der obersten Betriebsleitung.
  6. Genaue Erwartungen in Bezug auf Telearbeit zum Beispiel in Hinblick auch Erreichbarkeit während der Arbeit außerhalb des Betriebes müssen von Anfang an klar kommuniziert werden.
  7. Um Entscheidungen, wer Telearbeit nutzen kann und wer nicht, richtig zu handhaben, braucht es klare Kriterien und die Mitsprache der Mitarbeitenden bei der Festlegung dieser Kriterien. (Hintergrund)
  8. Keine verstärkten Kontrollen bei Telearbeitenden durch Vorgesetzte - der Fokus sollte auf dem Management der Arbeit und nicht der/des Mitarbeitenden liegen. (Hintergrund)
  9. Telearbeitende sollten Unterstützung und Beratung erhalten, wie sie ihren Telearbeitsplatz am besten organisieren und ihren Arbeitsalltag strukturieren können.
  10. Mitarbeitenden sollte davon abgeraten werden, Telearbeit als Mittel zur Kinderbetreuung zu nutzen. (Hintergrund)

Referenzen

Weiterführende Literatur

  • Golden, T. D. (2006). The role of relationships in understanding telecommuter satisfaction. Journal of Organizational Behavior, 27(3), 319-340.
  • Virick, M., DaSilva, N., & Arrington, K. (2010). Moderators of the curvilinear relation between extent of telecommuting and job and life satisfaction: The role of performance outcome orientation and worker type. Human Relations, 63(1), 137-154.
  • Golden, T.D., & Veiga, J.F. (2005). The Impact of Extent of Telecommuting on Job Satisfaction: Resolving Inconsistent Findings. Journal of Management, 31(2), 301-318.

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